Kibiz-Korrekturen reichen nicht : „Sind wir Statistiker oder Erzieher?“ Kamen, 24.05.2011, Klaus-Peter Wolter, Westfälische Rundschau v. 24.5.11
Statt Zeit zu haben für ein Kind, das gerade die Trennung der Eltern durchlebt oder einen Verlust verkraften muss, fülle man Statistiken aus. Kibiz sorgt weiter für Empörung bei Erzieherinnen in Stadt und Kreis. Änderungen, die Staatssekretär Prof. Klaus Schäfer in der Stadthalle vorstellte, machen das Kinderbildungsgesetz nach Urteil der Fachkräfte besser, aber nicht gut.
Mechthild Krause, Leiterin der ev. Kindertageseinrichtung Kämerstraße, ärgert sich. Zwar sei Qualitätssicherung nun ein großes Thema. Aber: „Die Bedingungen sind so, dass wir gar nicht mehr spitze sein können.“ Sie sei dankbar für die Verbesserungen, die die Landesregierung plane. Das aber sei nicht genug. Die Einrichtungen seien damit beschäftigt, Statistiken zu erarbeiten und immer neue Regelungen umzusetzen. „Sind wir Statistiker oder Erzieher?“, fragt ein Einrichtungsleiter.
Martina Hacheney von der AWO-Einrichtung Villa Lach und Krach in Heeren schildert paradoxe Regelungen. Weil nach Kopf-Pauschalen gerechnet wird, stehen ihrer Einrichtung 5 bis 7 Stunden mehr Personaleinsatz pro Woche zu. Doch die vorhandenen Mitarbeiter sind ausgelastet. Jemanden zu finden für fünf Stunden in der Woche sei aussichtslos, also verfalle der Betreuungsanspruch.
Erzieher kritisieren Stichtagsregelungen, die an der Wirklichkeit vorbei zielen. Unsicherheit über befristete Arbeitsverträge ließen es gar nicht zu, Beziehungen zu Kindern aufzubauen.
Krankenstände sind deutlich gestiegen
Kibiz lasse die Krankenstände ansteigen. Großen Beifall gibt es für die Forderung, die Kopfpauschalen-Regelung aufzugeben.
So weit aber ist es noch nicht. Klaus Schäfer war auf Einladung der SPD und des örtlichen Landtagsabgeordneten Rüdiger Weiß nach Kamen gekommen, um vor allem Mitarbeitern von Kindertageseinrichtungen den Stand der Kibiz-Reformen zu erläutern. Die neue Landesregierung habe diesen Prozess schnell nach der Wahl gestartet. Die geplante Novellierung aber ist nur ein erster Schritt, ein weiterer Gesetzesakt soll folgen. Ende 2012 will die Landesregierung neue Gesetzesstrukturen geschaffen haben.
Bisher gibt es Korrekturen, aber kein neues Bildungsgesetz, räumt Schäfer ein. Der Veränderungsprozess sei heikel. Manche Dokumentationspflicht macht aus seiner Sicht Sinn, grundlegende Finanzierungsstrukturen bleiben. Landesweit einheitliche Regelungen zu Elternbeiträgen wird es nicht geben, weil inzwischen stark differierende Strukturen in verschiedenen Regionen entstanden seien. Immerhin gebe es mehr Geld für Ergänzungskräfte und ein Sonderprogramm für Berufspraktikanten.
Das beitragsfreie letzte Kindergartenjahr kommt, so Schäfer. Bei der Stundenbuchung nachbessern aber dürfen Eltern dazu nicht. Auch darüber ärgern sich Betroffene. Lebenswirklichkeit ändere sich, da müsse man neu buchen. Ein Vater schildert, dass ihm in einer Familie mit zwei Durchschnittsgehältern deutlich mehr als 300 Euro abverlangt werden – viel Geld für die junge Familie.