Kann sich ein Terroranschlag wie in Paris auch in Nordrhein-Westfalen ereignen: Und ist die Polizei des Landes gerüstet? Das waren die Fragen, die zu Beginn der Sitzung des Innenausschusses des Landtags (…) erörtert wurden.
NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) erstattete den Abgeordneten einen Bericht zur aktuellen Lage nach den Anschlägen in Paris. Zuvor hatten sich die Teilnehmer der Sitzung im Gedenken an die Opfer und ihre Angehörigen zu einer Schweigeminute von ihren Plätzen erhoben.
Der Minister betonte, die Sicherheitslage des Landes habe sich durch die Anschläge grundsätzlich nicht verändert. Die Sicherheitsmaßnahmen seien nach dem Attentat auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ Anfang des Jahres erhöht worden. Dennoch könne er das Gefühl der Verunsicherung bei den Bürgerinnen und Bürger gut nachvollziehen.
Darum sei die Präsenz der Polizei in der Öffentlichkeit sichtbar verstärkt worden. Darüber hinaus würden von Polizei und Sicherheitsbehörden vorbereitende Maßnahmen getroffen, um im Vorfeld möglicher Anschläge Informationen zu gewinnen und auszuwerten. Der Minister erklärte, nach Paris sei das „Grundrauschen“ in der salafistischen Szene deutlich gestiegen, das müsse jetzt zeitnah ausgewertet werden. Diese Szene bezifferte der Minister auf etwa 2.250 Personen, davon seien rund 500 als gewaltbereit einzustufen. Allerdings seien nicht alle davon „risikobehaftet“, also zu einem Anschlag fest entschlossen.
Zu dem Verdacht, es könnten sich IS-Terroristen unter die syrischen Flüchtlinge mischen, die über die Balkanroute in unser Land kommen, meinte Jäger, dafür gebe es keine konkreten Hinweise. Es sei zwar bei einem in Paris getöteten Terroristen ein syrischer Pass mit drei Vermerken von Balkanstaaten gefunden worden, das bedeute aber nicht, dass der Inhaber wirklich so eingereist sei. Der IS verfüge inzwischen über Möglichkeiten, solche Dokumente in eigener Regie herzustellen. Der Minister nannte darum den Schluss, Terroristen würden sich unter Flüchtlinge mischen, „unverantwortlich“.
Hundertprozentige Sicherheit gebe es nicht, schloss Jäger seinen Bericht. Es wäre falsch, sich einschüchtern zu lassen. Gerade das Schüren von Verunsicherung sei Ziel der Terroristen. Er persönlich werde, betonte Jäger abschließend vor dem Ausschuss, am Wochenende zum Fußballspiel gehen und auch den Weihnachtsmarkt besuchen.
Die Unterstützung der CDU-Landtagsfraktion für die in einer ohnehin schon angespannten Lage durch die Anschläge in Paris noch zusätzlich geforderte Polizei erklärte Theo Kruse (CDU). Die Präsenz müsse erhöht werden, vor allem bei Großveranstaltungen in den nächsten Wochen und Monaten. Zur Ausrüstung der Polizei fragte er nach, ob die Schutzwesten sicher genug seien. Wenn es bessere Westen gebe, dann müssten die jetzt und nicht erst in zwei Jahren angeschafft werden. Das Personal bei der Polizei und beim Verfassungsschutz müsse angesichts der Bedrohung aufgestockt werden.
„Wir dürfen jetzt nicht die innere Liberalität opfern“, betonte der FDP-Sprecher Marc Lürbke. Um die größtmögliche Sicherheit zu gewährleisten, sei es Zeit für gemeinsame Lösungen. Die Polizei des Landes sah er an der Belastungsgrenze, viele Beamtinnen und Beamte gingen „auf dem Zahnfleisch“. Darum müsse schnell gehandelt werden. Elf Monate nach dem Anschlag auf die Satirezeitschrift in Paris gebe es in NRW immer noch kein fertiges Einsatzkonzept für solche Lagen, kritisierte er und stellte die Frage, ob ein Streifenbeamter vor Ort in den wichtigen ersten Minuten nach einem Attentat so ausgerüstet und geschützt sei, um angemessen und wirksam zu handeln.
Frank Herrmann von den PIRATEN plädierte angesichts von „Kriegsrhetorik“ im Nachbarland Frankreich zur Besonnenheit. In dieser Sache sollte man in NRW auf „politische Spielchen“ verzichten, fand er: Fehler und Schwachstellen im jetzigen System müssten zwar benannt werden, aber man sollte nicht Angst und Populismus schüren. Das habe in seinen Augen Vorrang vor weiteren Verschärfungen und Grundrechtseinschränkungen. Welche Prävention wirklich vor Radikalisierung schütze? Das seien gesellschaftliche Strukturen, die diese Radikalisierung verhinderten, sonst nämlich gebe es weiterhin bloß ein „Katz-und Maus-Spiel“.
„Wir alle müssen im Moment zusammenstehen“, verlangte Thomas Stotko als innenpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. Auch wenn es den Terroristen bisher nicht gelungen sei, Angst aufzubauen, „Anschläge sind überall möglich“, sagte er und rief dazu auf, in die Öffentlichkeit zu gehen und klar zu machen: Mit uns wird es keine Einschränkungen geben! Im Übrigen war er der Meinung, über Fragen polizeilicher Konzepte und über die Sicherheitsausstattung sollte nicht öffentlich verhandelt werden.
Auch Verena Schäffer von den GRÜNEN rief dazu auf, sich nicht einschüchtern zu lassen und Ausrüstungsfragen der Polizei nicht öffentlich zu diskutieren: „Es muss nicht alles in der Zeitung stehen“. Man benötige eine gut aufgestellte Polizei, das stehe außer Zweifel. Aber genauso richtig sei es, „nicht nur über Repression, sondern auch über Prävention zu sprechen“. Viele Täter stammten aus der Mitte der Gesellschaft und seien in Europa aufgewachsen. Da sei es wichtig, Ausgrenzung und Perspektivlosigkeit entgegenzuwirken. Wie reagierten eigentlich in der jetzigen Lage die Neonazis, wollte sie vom Minister wissen.
Ralf Jäger erklärte, analog zum gestiegenen Grundrauschen in der salafistischen Szene hätten die Sicherheitsbehörden bei den Äußerungen im Rechtsextremismus eine geradezu „eruptive Steigerung“ festgestellt – „voller Hass, Hetze und Aggressivität“. In Deutschland gebe es 2.000 Rechtsextremisten, die Gewalt anwenden wollen. 200 weiter fielen immer wieder als Straftäter auf. Der Innenminister des Landes wertete dies als genauso bedenklich wie die Vorkommnisse, die dem IS zuzurechnen seien.
Text: Jürgen Knepper