Eine Schlagzeile sorgte im Februar für Aufsehen: „NRW-Schulen in einem erbärmlichen Zustand“. 85% der Gebäude seien mangelhaft.
Eine „Umfrage“ des Senders hätte das ergeben, hieß es beim Sender.
Auf Basis dieser „Umfrage“ veranstaltete man schließlich einen Thementag, der das Problem thematisieren sollte. In einer Abendsendung wurden mit theatralisch unterlegter Musik passende TV-Bilder eingeblendet. Empörte Eltern konnten ihrem Ärger Luft machen. Und der eigene Radiosender schlug sogar einen eigenen „Hashtag“ vor.
Dabei ist die „Umfrage“ ein Paradebeispiel dafür, was man alles nicht machen sollte, wenn man eine Umfrage für die eigene Argumentation zu Hilfe nimmt. Die Emotionen der Betroffenen sind natürlich verständlich. Allerdings wäre es ein Gebot der Fairness gewesen, diese Emotionen in einem sachlich richtigen Kontext einzuordnen. Dafür wurden in der Berichterstattung einige Punkte nicht berücksichtigt.
- Für Schulgebäude sind vor allem Kommunen zuständig
Viele Kommunen in NRW müssen mit großen finanziellen Herausforderungen umgehen. Investitionen müssen bedacht getätigt werden. Es waren die NRWSPD und die heutige Landesregierung von Hannelore Kraft, die diese schwierige Aufgabe seit 2010 fortwährend thematisiert haben. Im Rahmen des Stärkungspakts Stadtfinanzen werden bis zum Jahr 2020 5,8 Milliarden Euro an Konsolidierungshilfen zur Verfügung gestellt, von denen das Land 70% übernimmt. Gleichzeitig unterstützt das Land mit 600 Millionen Euro jährlich die Kommunen mit einer Schulpauschale. Die Verantwortung bei den Gebäuden selbst liegt bei den Kommunen. Darüber hinaus bleibt beim Thema Kommunalfinanzen auch der Bund in der Pflicht, wenn man zum Beispiel das Thema „Kosten der Unterkunft“ berücksichtigt. Diese Argumentationspunkte wurden im Zuge der Berichterstattung zur o.g. „Umfrage“ relativiert oder ganz weg gelassen.
- Der Umfragebegriff ist nicht geschützt
Eine Umfrage ist nicht bereits deswegen eine gute Umfrage, weil jemand auf zugeschickte Fragen geantwortet hat und im Zuge dessen Antworten veröffentlicht wurden. In den Sozialwissenschaften beschäftigt sich eine Vielzahl von Profis mit der Frage, wann eine Umfrage einen Wert hat und wann sie Hokuspokus wird. Eine ordentlich durchgeführte und analysierte Umfrage nimmt häufig sehr viel Zeit und Ressourcen in Anspruch, weshalb viele Medien direkt Institute einschalten, um sachdienliche Hinweise in interessanten Fragestellungen zu erhalten. Wer sich also entschließt, selbst eine Umfrage durchzuführen, konkurriert mit geltenden Standards.
In der „Umfrage“ zu den Schulgebäuden in NRW haben 80% der Schulen überhaupt nicht teilgenommen. Jürgen Döschner, der verantwortliche Redakteur, spricht dennoch von einer „für solche Erhebungen extrem gute Antwortquote“. Für die wissenschaftlichen Umfragen, auf die sich Döschner bezieht, gilt aber: Hier werden meist Stichproben gezogen, Fragen in wissenschaftlicher Form gestellt, Erinnerungen verschickt und Aussagen getätigt über die Personen, die nicht an der entsprechenden Umfrage teilgenommen haben. Darüber hinaus sind die Fragen in Umfragen mit niedriger Antwortquote meist brisanter als die Frage „Brauchen Sie mehr Geld?“. All dies wird im Bericht zur „Schulumfrage“ in bemerkenswerter Weise ausgelassen.
Dass es bei journalistischen Umfragen auch mit einer besseren Antwortquote geht, zeigten übrigens die Kolleginnen und Kollegen des WDR-Magazins „Monitor“. Bei ihrer Umfrage zur Wahrnehmung der Flüchtlingsdebatte in den Kommunen antworteten 373 der angefragten 700 Kommunen. Die Antwortquote hier beträgt also knapp 53% (und ist somit um rund 33% höher als bei der „Umfrage“ zur Schullandschaft).
Fazit: Auch bei Umfragen kommt es auf die Grautöne an
Der beliebte Spruch „Traue keiner Statistik, die Du nicht selber gefälscht hast“ ist natürlich falsch. Denn viele Menschen, die im Bereich Wissenschaft, Politik und Medien arbeiten, gehen verantwortungsvoll mit Zahlen, Daten und Fakten um und haben deshalb Vertrauen verdient. Eine vernünftige Politik basiert auf gesicherten Erkenntnissen. Das hier kritisierte Beispiel aber zeigt auch, dass sich hinter dem Begriff „Umfrage“ alles Mögliche verbergen kann. Ein Blick in die Methodik lohnt sich besonders immer dann, wenn Umfragen und Co. in Berichten vor allem genutzt werden, um Gefühle zu bedienen. Es kommt auf die Grautöne an.