Anhörung: Wenn Kinder nicht schwimmen können

Anhörung: Wenn Kinder nicht schwimmen können

Anhörung: Wenn Kinder nicht schwimmen können 250 165 Rüdiger Weiß

Das Thema „Schwimmfähigkeit“ von Kindern stand im Mittelpunkt einer Sachverständigen-Anhörung des Sportausschusses. Grundlage war ein Antrag der FDP-Fraktion sowie ein gemeinsamer Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und GRÜNEN.

Nach dem Ende der Grundschulzeit sollten Kinder schwimmen können – so sehen es die Vorgaben in Nordrhein-Westfalen vor. Tatsächlich aber könne rund ein Drittel der Kinder dies nach der 4. Klasse nicht, kritisiert die FDP-Fraktion in ihrem Antrag („Sicheres Schwimmen kann Leben retten – Schwimmfähigkeit am Ende der Grundschulzeit überprüfbar definieren“, Drs. 16/10293). Die Landesregierung müsse sicherstellen, dass das gesteckte Ziel erreicht werde. Zudem solle sie die Schwimmfähigkeit der Schülerinnen und Schüler nach der Grundschulzeit zentral erheben und auswerten. Schwimmen sei eine „Grundfertigkeit, die besonders für das Überleben am und auf dem Wasser wichtig ist“. Allein im Jahr 2014 seien in NRW 49 Menschen ertrunken.

Die Schwimmausbildung sei in NRW ein „verbindlicher und integraler Bestandteil der Kernlehrpläne Sport“ und genieße einen hohen Stellenwert, betonen SPD und GRÜNE in ihrem Entschließungsantrag (Drs. 16/10481). Die Landesregierung unternehme „gemeinsam mit mehreren Partnern große Anstrengungen, zusätzlich zum obligatorischen Schwimmunterricht die Schwimmfähigkeit eines jeden Kindes zu verbessern und zu sichern“. Die Fraktionen fordern die Landesregierung u. a. auf, das Programm „NRW kann schwimmen“ zu verlängern und dabei die „besondere Situation neu zugewanderter und geflüchteter Kinder“ verstärkt zu berücksichtigen. Zudem solle sie die interkommunale Zusammenarbeit unterstützen, um das Schulschwimmen sicherzustellen.

„Keine anerkannte Definition“

Es existiere keine einheitlich anerkannte Definition des Begriffes „Schwimmfähigkeit“, erklärte Dr. Dirk Hoffmann vom Institut für Sport- und Bewegungswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Es stimme aber, „dass nicht alle Kinder zum Ende ihrer Grundschulzeit die im Lehrplan Sport an Grundschulen für NRW definierten Ausbildungsziele im Schulschwimmen erreichen“. Die Gründe dafür seien vielfältig und unterschieden sich von Kommune zu Kommune. Hoffmann nannte in seiner schriftlichen Stellungnahme u. a. fehlende Schwimmstätten, aufwändige Schülerbeförderung und mangelnde Qualifikationen der Lehrkräfte, aber auch soziale und kulturelle Hintergründe. Ein „erhöhtes Aufkommen von Nichtschwimmern“ zeige sich bei Kindern aus dem Vorderen Orient, aus Südost-Europa und Afrika. Andere Sachverständige bestätigten diese Beobachtung. Kinder aus sozial schwachen Einzugsgebieten sowie mit Migrationshintergrund seien häufiger Nichtschwimmer, berichteten Philipp Knappmeyer (Stadt Minden), Claudia Ledzbor (Stadt Hilden) und Simone Osygus (Schwimmabteilung SV Bayer Wuppertal) in ihren Stellungnahmen.

„Fehlendes Engagement der Eltern“

Ähnlich äußerte sich Prof. Dr. Theodor Stemper, Sportwissenschaftler an der Bergischen Universität Wuppertal, in seiner schriftlichen Stellungnahme: „Je höher der soziale Handlungsbedarf, umso geringer die Quote der Schwimmfähigen.“ Eine zentrale Rolle spiele dabei das fehlende elterliche Engagement und Interesse „aufgrund biografischer und kultureller Prägungen“. Dies sei vorwiegend bei Migranten aus muslimischen und zentralafrikanischen Ländern der Fall. Stemper und andere empfahlen die Bildung von Netzwerken ­– bestehend zum Beispiel aus Kommunen, Bädern, Schwimmvereinen, Kinderärzten, Kitas und Schulen. Auch bei Elternabenden und Informationsveranstaltungen könne das Thema angesprochen werden. Hilfreich wäre es zudem, die Schwimmfähigkeit am Ende der Grundschulzeit auf dem Zeugnis zu dokumentieren. Kinder könnten schwimmen, wenn sie die Anforderungen des Jugendschwimmabzeichens in Bronze erfüllten (Anmerkung: Sprung vom Beckenrand und mindestens 200 Meter Schwimmen in höchstens 15 Minuten, einmal ca. 2 Meter Tieftauchen von der Wasseroberfläche mit Heraufholen eines Gegenstandes, Sprung aus 1 Meter Höhe oder Startsprung, Kenntnis der Baderegeln). Andere Sachverständige teilten diese Einschätzung. Roland Kettler, Geschäftsführer der Bädergesellschaft Düsseldorf: „Erst mit dem Schwimmabzeichen Bronze gilt ein Schüler als sicherer Schwimmer.“

Eine Übersicht über die eingegangenen Stellungnahmen finden Sie hier, die Liste der Fragen an die Sachverständigen hier.

Text: zab