In ihrem Koalitionsvertrag verspricht die Landesregierung, dass sie „die grenzüberschreitende Wissenschaftsregion weiter fördern“ und „Hochschulen bei der Etablierung eines europäischen Wissenschaftsnetzwerks unterstützen“ (S. 116). Dazu wollen sie Programme „wie ‘Horizon 2020‘ stärker in Anspruch nehmen“. Ein weiteres Ziel der Landesregierung soll es sein, Hochschulen dabei zu unterstützen „grenzüberschreitende Studiengänge zu etablieren“ (S. 116).
In Nordrhein-Westfalen, Belgien und den Niederlanden gibt es eine sehr dichte und exzellente Wissenschafts- und Forschungslandschaft. Kooperationen zwischen den Hochschulen finden auf vielfältigste Art und Weise statt. Die Hochschulen liegen häufig nur wenige Kilometer voneinander entfernt und doch in einem anderen Land. Dass hier die Zusammenarbeit essentiell ist und nicht an der Grenze stoppen sollte, versteht sich von selbst.
Doch nicht nur bei unseren direkten Nachbarn gibt es exzellente Forschung. Auch andere Länder haben viel zu bieten und das Zusammenlegen von Forschungsprojekten ist die einzig logische Handlung, um Ideen zu verbinden und Innovation voranzutreiben. Forschung muss europäisch gedacht werden, denn nur so hat die Europäische Union die Möglichkeit im internationalen Vergleich auf lange Sicht mitzuhalten. Nicht nur das Innovationspotential ist hiervon betroffen, sondern in letzter Konsequenz auch die Struktur der Regionen und die dortige Beschäftigungsrate.
Diese Forderung und Erkenntnis spiegelt sich in den Vorschlägen der Kommission für den neuen Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 wider. Die Forschungsförderung spielt hier eine große Rolle. Das zugehörige Programm, „Horizon Europe“ wird, wenn es nach der Kommission geht, mit 97,9 Milliarden Euro ausgestattet werden, was eine 1,6-fache Erhöhung im Bereich „Forschung, Innovation und Digitales“ bedeuten würde. Die Mobilität von Forschenden soll durch Stipendien unterstützt werden, Forschungsarbeiten zu gesellschaftlichen Herausforderungen sollen in den Vordergrund gerückt werden und ein Europäischer Innovationsrat eingerichtet.
Doch nicht nur „Horizon Europe“ soll mit einer Erhöhung des Budgets versehen werden, sondern auch die Erasmus-Programme und damit unter anderem die Mobilität von Studierenden. So werden bereits zukünftige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf die Eigenheiten und Strukturen anderer europäischer Hochschulen hingewiesen und Grundlagen für die finanzielle Unterstützung grenzübergreifender Studierendenmobilität geschaffen.
In diesem Zusammenhang ist natürlich auch die Wichtigkeit grenzüberschreitender Studiengänge hervorzuheben. Ein Studium durchzuführen, welches Studierende dazu veranlasst das eigene Land zu verlassen und andere Systeme kennenzulernen, vermag besonders eindrücklich europäische Werte zu vermitteln. Von 34 grenzüberschreitenden Studienangebote, die von gemeinsamen Bachelor- und Master-Studiengängen bis hin zu bilateralen Sommerschulen zwischen Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden reichen, ist in einer Pressemitteilung der Schulministerin und der Wissenschaftsministerin aus dem April 2018 die Rede. Angesichts der hohen Dichte an Hochschulen und an der noch deutlich höheren Zahl an Studiengängen ist diese Zahl klar steigerungsfähig. Außerdem bleibt zu bemängeln, dass eine vergleichbare Zahl für die Hochschulzusammenarbeit zwischen Nordrhein-Westfalen und Belgien fehlt.
Die Mobilität von Studierenden ist häufig auch mit hohen Kosten verbunden. Reise- und Umzugskosten fallen an, sowie im westeuropäischen Ausland üblich, höhere Lebenshaltungskosten. Diese können nicht alle über die Erasmus-Stipendien gedeckt werden und stellen häufig eine Hürde für finanziell und sozial benachteiligte Studierende dar.
In der Absichtserklärung der Landesregierung mit der Wallonie vom 14. Mai 2019 nehmen Forschung und Innovation eine wichtige Stellung ein. Die beiden Unterzeichner einigen sich darauf, stärker zusammenzuarbeiten und ihr Potential zu ergänzen. Es ist die Rede von Komplementaritätsbereichen, die besser genutzt werden sollen um Innovationsmöglichkeiten in beiden Regionen zu fördern.
In der politischen Absichtserklärung zwischen der Benelux-Union und Nordrhein-Westfalen vom 2. April 2019 jedoch, findet die Hochschulzusammenarbeit nur in einem Nebensatz Erwähnung. Unter dem Punkt „Arbeitsmarkt und Arbeitsmobilität“ wird hier die Mobilität vor allem von Studierenden gefordert, sowie die Einrichtung grenzüberschreitender Studiengänge. Diese Thematik unter dem Deckmantel der Wirtschaft zu betrachten ist sicherlich nicht der Wichtigkeit des Bereichs der Wissenschaft angebracht.
Die Versprechungen der schwarz-gelben Landesregierung bleiben auch knapp zweieinhalb Jahre nach Übernahme der Regierungsgeschäfte unkonkret und die Landesregierung selbst einen Nachweis über deren Verwirklichung oder zumindest die hierzu unternommenen Anstrengungen schuldig.
Deshalb frage ich die Landesregierung:
1. Welche Anreize setzt die Landesregierung konkret, um sowohl bestehende als neu geplante Hochschulkooperationen zu stärken?
2. Welche Fördermittel sind in den letzten zwei Jahren im Rahmen des Horizon2020Programmes an nordrhein-westfälische Universitäten geflossen? (Bitte auflisten nach Projekt, Hochschule, Fördermittelhöhe)
3. Welche grenzüberschreitenden Studienangebote gibt es zwischen den Niederlanden und Nordrhein-Westfalen bereits? (Bitte die 34 oben genannten Kooperationen auflisten nach Gründungsjahr, beteiligten Universitäten, Anzahl der Studierenden pro Jahrgang, Fachrichtung, Titel des Studiengangs)
4. Welche grenzüberschreitenden Studienangebote gibt es zwischen Belgien und Nordrhein-Westfalen? (Bitte auflisten nach Gründungsjahr, beteiligten Universitäten, Anzahl der Studierenden pro Jahrgang, Fachrichtung, Titel des Studiengangs)
5. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass an grenzüberschreitenden Studiengängen explizit auch Studierende mit sozial und finanzieller Benachteiligung teilnehmen können?