Die Einhaltung und Förderung des Rechtsstaats und der rechtstaatlichen Prinzipien liegt in der Verantwortung der EU Mitgliedsstaaten. Dennoch legt Artikel 7 in den Europäischen Verträgen fest, dass einem EU-Mitgliedsstaaten die Stimme entzogen werden kann. Neu ist, dass die EU-Kommission bereits im letzten Jahr zur Vorlage ihres Entwurfs für einen neuen EU-Finanzrahmen einen Mechanismus vorlegt, der Empfängerländern EU-Mittel bei gravierenden Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit vorenthalten oder Leistungen kürzen soll.
Dies wird derzeit auch durch die finnische Ratspräsidentschaft weiterverfolgt.
In einer Pressemitteilung der Staatskanzlei vom 2.9.2019 äußert sich Minister Holthoff-Pförtner wie folgt dazu: „Ich begrüße ausdrücklich die von Finnland geplante Neugestaltung des Rechtsstaatsdialogs. Rechtsstaatlichkeit ist in der EU nicht verhandelbar. Wir müssen aber anstatt übereinander, miteinander reden. Die Landesregierung unterstützt einen Dialog zwischen Kommission und Mitgliedstaaten zur Förderung einer gemeinsamen Kultur der Rechtsstaatlichkeit. Nordrhein-Westfalen befürwortet auch die Verhandlungen der finnischen Ratspräsidentschaft, finanzielle Förderung durch die EU an die Einhaltung rechtstaatlicher Standards zu koppeln. Dies muss in einem ausgewogenen und effizienten System erfolgen. Darüber hinaus sollte das Instrument des Artikel 7-Verfahrens fortgeführt werden.“
Dass sich der Minister, mit der Befürwortung der Kopplung finanzieller Mittel an rechtsstaatliche Prinzipien, der Meinung der SPD und ihrer Wahlkampfforderung anschließt ist dabei sehr zu begrüßen1. Überraschend ist allerdings, dass sich Minister Holthoff-Pförtner in einem Interview vom 10. August 2018 noch deutlich gegen die von ihm als „Knete-Keule“ beschriebene Vorgehensweise der EU aussprach.
Auf die Frage „Die EU-Kommission erwägt, künftig die Mittelverteilung an rechtsstaatliche Prinzipien zu koppeln, um sperrige Regierungen in Osteuropa zu disziplinieren. Was halten Sie davon?“ antworte der Minister wörtlich: „Ich halte überhaupt nichts davon, die Knete-Keule zu schwingen, wie man im Ruhrgebiet sagt. Taschengeld-Entzug ist kein gutes Erziehungsmittel. Ich würde es eher begrüßen, die Stärkung rechtsstaatlicher Strukturen gezielt zu fördern.“
Daher frage ich die Landesregierung:
1. Welche Einstellung vertritt der Minister in der Frage der Kopplung von EU Fördergeldern an Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit?
2. Welche Ansichten zu oben genanntem Thema wird die übrige NRW Landesregierung vertreten, wenn sie in den Dialog mit zivilgesellschaftlichen Akteuren tritt?
3. Welche Ereignisse führten zu dem Prinzipienwandel des Ministers?
4. Welche Formate, die über die regelmäßig stattfindenden wie das Weimarer Dreieck hinausgehen, unterstützt die NRW Landesregierung, um zivilgesellschaftliche Akteure bei ihrem Kampf für die Rechtsstaatlichkeit in den jeweiligen Ländern zu fördern? Bitte auflisten.
5. Welche Anstrengungen hat der Minister bisher unternommen, um im Rahmen der Partnerschaften des Landes mit Polen (auch vor dem Hintergrund des Weimarer Dreiecks) und Ungarn, „die Stärkung rechtsstaatlicher Strukturen gezielt zu fördern“?