Nachhaltigkeit

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Nachhaltigkeit auf allen Ebenen: Die wichtigsten Maßnahmen und Strategien im Überblick

Nachhaltigkeit auf allen Ebenen: Die wichtigsten Maßnahmen und Strategien im Überblick 2560 1696 Rüdiger Weiß

In einer globalisierten Welt müssen wir Verantwortung übernehmen und die Herausforderungen unserer Zeit gemeinsam angehen. Nachhaltigkeit spielt in allen Bereichen eine wichtige Rolle. Nicht alleine die Umwelt und unsere Lebensgrundlagen müssen wir für nachfolgende Generationen erhalten, wir müssen auch dafür sorgen, dass die Lebensqualität auf der ganzen Welt verbessert wird. Globalisierung muss gerecht gestaltet und Frieden gesichert werden.

In den letzten Jahren hat ein Paradigmenwechsel auf verschiedensten Ebenen stattgefunden. Auf internationaler Ebene beispielsweise durch UN und EU, auf staatlicher sowie wirtschaftlicher Ebene, aber auch bei jedem Einzelnen. Was politisch bereits umgesetzt wurde und welche Maßnahmen man selbst ergreifen kann, erfahren Sie in diesem Überblick.

Die Vereinten Nationen und die SDGs

Im Jahr 2015 verabschiedeten die Vereinten Nationen die Agenda 2030. Dabei verpflichteten sich die Mitglieder zu 17 globalen Zielen für eine bessere Zukunft und die Bewahrung der Lebensgrundlagen – den sogenannten „Sustainable Development Goals“, kurz SDGs. Diese Ziele basieren auf drei Säulen der Nachhaltigkeit, die ökologische, ökonomische und soziale Aspekte umfassen. Die 17 Ziele werden durch 169 Unterziele ergänzt. Es handelt sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Verantwortung tragen alle – Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft – in allen Ländern.

Auf der Konferenz über nachhaltige Entwicklung in Rio 2012 beschlossen die Mitglieder die Entwicklung der Ziele, die vor allem regional und lokal umgesetzt werden sollen. 2015 wurden diese Ziele dann auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in New York von der Generalversammlung verabschiedet.

Quelle: Bundesregierung

Europäische Verträge bis “Green Deal” – Nachhaltigkeit auf EU-Ebene

Die EU sieht sich als Spitzenreiter, der globale Standards vorgibt. Im Vertrag der Europäischen Union ist die Verpflichtung zur Nachhaltigkeit festgeschrieben. In Artikel 3 heißt es: „Die EU wirkt auf die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität hin.“

2001 beschloss der Europäische Rat die erste Strategie für eine nachhaltige Entwicklung, bei der die heutige, aber auch künftige Generationen im Fokus stehen. Sie soll einen politischen Rahmen geben, der Wirtschaftswachstum, Umweltschutz und soziale Integration verbindet.

Diese Nachhaltigkeitsstrategie ist angesichts der 2015 von der UN verabschiedeten Ziele veraltet. Die Kommission legte daher das Reflexionspapier „Auf dem Weg zu einem Nachhaltigen Europa bis 2030“ vor, in dem die Umsetzung der Ziele und mögliche Maßnahmen dargestellt werden. 2019 verkündete die Europäische Kommission den „Green Deal“ – einen Plan, wie Europa der erste klimaneutrale Kontinent bis 2050 werden soll. Im Vordergrund steht die Förderung einer effizienten Ressourcennutzung und umfasst alle Wirtschaftszweige. Davon sollen alle profitieren und niemand zurückgelassen werden.

Nachhaltigkeit auf Bundesebene

Auch in Deutschland spielt Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle. 2002 wurde eine Nachhaltigkeitsstrategie erarbeitet, die stetig weiterentwickelt wird. Dies geschieht unter anderem mit Hilfe öffentlicher Konsultationen. 2016 gab es eine Neuauflage, die auch die Ziele der UN behandelt. Auf der Seite der Bundesregierung, wird konkret zusammengefasst, was bisher auf staatlicher Ebene für die einzelnen Ziele geschehen ist.

Außerdem hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gemeinsam mit anderen Organisationen eine Kampagne gestartet, die mehr Bewusstsein in der breiten Gesellschaft schaffen und Engagement fördern soll. Dafür gibt es Veranstaltungen in verschiedenen Städten zu unterschiedlichen Themen, die die 17 Nachhaltigkeitsziele betreffen.

Stillstand bei NRW’s Nachhaltigkeitsstrategie

NRW beschloss 2016 die erste Nachhaltigkeitsstrategie und hielt Nachhaltigkeitstagungen und Online-Diskussionen ab. Darüber hinaus hat sich das LAG 21 Netzwerk gegründet, in dem viele Kommunen, Verbände, Institutionen und Privatpersonen zusammenarbeiten. Dabei entwickeln sie Nachhaltigkeitsstrategien und stellen Wissen zur Verfügung. Auf Veranstaltungen gibt es die Möglichkeit sich zu informieren und auszutauschen. Die Landesregierung kündigte an bis 2019 die Nachhaltigkeitsstrategie des Landes weiterzuentwickeln. Dazu kam es bisher nicht.

Kommunen und ihr Weg zur Nachhaltigkeit

Viele Kommunen arbeiten daran nachhaltiger zu werden. Sie übernehmen dabei auch oft Verantwortung, wenn die Landesregierung selbst noch nicht tätig wurde. Projekte der EU aber auch von LAG 21 fördern Städte und Kommunen in ihren Vorhaben. Der Kreis Unna beispielsweise ist eine der nachhaltigen Kommunen in NRW.

Verschiedene Bundesinstitute, Organisationen und Stiftungen haben gemeinsam das Projekt „SDG-Indikatoren für Kommunen“ gestartet. Dabei sollen Kriterien identifiziert werden, mithilfe derer die Umsetzung der gemeinsamen Ziele überprüft werden können. Die Daten werden auf der Seite wegweiser-kommunen.de der Bertelsmann Stiftung gesammelt und ausgewertet.

Was Corporate Social Responsibility bedeutet

Viele Unternehmen sind sich der Relevanz von Nachhaltigkeit und ihre Verantwortung bewusst und haben bereits eigene Strategien entwickelt. Die sogenannten Corporate Social Responsibility (CSR) – die Verantwortung von Unternehmen der Umwelt und Gesellschaft gegenüber – sind Maßnahmen, die sie vornehmen und die über die gesetzlichen Forderungen hinausgehen. Die meisten progressiven und modernen Unternehmen haben und profitieren von CSR.

Die Global Reporting Initiative, der UN Global Compact und das World Business Council for Sustainable Development haben einen SDG-Compass für Unternehmen entwickelt, der als Leitfaden für eine nachhaltige Entwicklung im Sinne der SDGs dient.

Was jede*r Einzelne tun kann

Aber auch die Zivilgesellschaft ist verantwortlich. Jeder kann kleine Veränderungen in seinem Alltag vornehmen. Die Maßnahmen, um den gemeinsamen Zielen näher zu kommen, findet man zum Beispiel auf der Seite der Verbraucher Zentrale NRW, sowie auf der Nachhaltigkeitsseite des NRW Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz. Dort sind alle nützlichen Tipps und Links zu weiteren Seiten gegliedert.

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Ob Großstadt oder Dorf: Nachhaltige Entwicklung brauchen wir überall

Ob Großstadt oder Dorf: Nachhaltige Entwicklung brauchen wir überall 2560 1707 Rüdiger Weiß

Das 11. Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen ist den Städten und Gemeinden gewidmet. Sie sollen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestaltet sein. Für Deutschland bedeutet das unter anderem, den Zugang zu sicherem und bezahlbarem Wohnraum, nachhaltige Verkehrssysteme, die Senkung der Umweltbelastung und die Unterstützung ökonomischer, ökologischer und sozialer Verbindungen zwischen stadtnahen und ländlichen Gebieten zu verbessern. So unterschiedlich die Herausforderungen auch sein mögen, von bezahlbarem Wohnraum in Städten bis zu einer guten Verkehrsanbindung im ländlichen Raum – wir brauchen eine gemeinsame nachhaltige Lösungsstrategie für die Bewältigung dieser Probleme.

Die Alalborg Charta und daraus resultierende Projekte

Bereits 1994 verabschiedeten die europäischen Bürgermeister*innen auf der ersten Europäischen Konferenz über nachhaltige Städte und Gemeinden die Aalborg Charta und gaben den Anstoß für eine gemeinsame europäische Kampagne und unzählige lokale Projekte im urbanen und ländlichen Raum. Frankfurt am Main ist beispielsweise eine von sieben Städten auf dem Weg zur Zero Carbon City (Null Kohlenstoff Stadt), die mit Hilfe von Wissenschaftlern, die Stadt kohlenstofffrei gestaltet. In Duisburg gibt es das Projekt „Tausche Bildung für Wohnen“. Junge Menschen können mietfrei im Duisburger Stadtteil Marxloh wohnen, dafür geben sie als Bildungspate Nachhilfe Unterricht. Mittlerweile verpflichtet sich eine Vielzahl europäischer Städte und Gemeinden freiwillig dazu, die Nachhaltigkeitsziele der EU umzusetzen.

Die Basque Declaration 

Die 2016 ins Leben gerufene Basque Declaration bietet weitere Kooperationsmöglichkeiten, wie eine Datenbank, die transformierende Maßnahmen bündelt und Visionen teilt. Außerdem fasst sie gemeinsame Ziele zusammen. Darunter fällt unter anderem die Reduktion des gesamten Energieverbrauchs, der Schutz der Biodiversität und die Garantie von sozialer Inklusion und Integration für alle. Dabei sind Alle, Entscheidungsträger und Zivilgesellschaft, aufgerufen die Transformation zu nachhaltigeren Städten und Gemeinden zu gestalten und nachhaltige Lösungen zu finden. Die Basque Declaration gibt drei Ebenen vor: die sozio-kulturelle, sozio-ökonomische und technologische Transformation, sowie 10 konkrete Ziele (z.B. nachhaltige Mobilität, ausreichend Wohnraum für alle, Energieverbrauch reduzieren). Es gab bereits erfolgreiche Projekte, wie in Gent. Die Stadt hat ihr Nahrungsmittelsystem lokal, belastbar, nachhaltig und fair gestaltet. Weniger Lebensmittel werden verschwendet und der Weg vom Ursprung zum Teller wurde minimiert.

So wollen deutsche Kommunen die von der UN gesetzen Ziele erreichen

Die „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung: Nachhaltigkeit auf kommunaler Ebene gestalten“ ist eine Mustererklärung des Deutschen Städtetags und der deutschen Sektion des Rats der Gemeinden und Regionen Europas. Sie soll die Bereitschaft signalisieren, sich für die von der UN gesetzten Ziele der Agenda 2030 zu engagieren und wurde bereits von 81 deutschen Kommunen unterschrieben, darunter auch die Stadt Lünen. Der ICLEI (International Council for Local Environmental Initiatives) hat einen Maßnahmenkatalog für Kommunen erstellt, der Möglichkeiten und Pflichten im Rahmen der Nachhaltigkeitsziele zusammenfasst. So können Kommunen die gesetzten Ziele mit konkreten Maßnahmen umsetzen. Zum Beispiel kann bereits in der Städteplanung gegen das Ziel „Keine Armut“ (SDG 1) manifestiert werden, indem sozialer Bedarf erkannt und berücksichtigt wird. Im SDG Portal lässt sich nachverfolgen, wie weit die Kommunen bei der Umsetzung der Ziele sind. Es gibt bereits etliche Beispiele für erfolgreiche Projekte, wie im saarländischen St. Ingbert, wo jede*r Bürger*in Zugang zu einer höchstens 200m entfernten Bushaltestelle hat. Die Busse kommen alle 30min und verknüpfen so die ländlichen Gebiete mit der Stadt.

Besonders die Entwicklung in den Städten entscheidet über unser zukünftiges Wohlergehen. Heute leben 2/3 der Deutschen in Städten. Die Bundesregierung unterstützt moderne Konzepte, die unsere Städte nachhaltiger machen. Die Innovationsplattform Zukunftsstadt soll gute Ideen schneller in den Alltag der Städte bringen. Zu den sieben ausgewählten Städten gehören auch die NRW-Städte Bocholt und Gelsenkirchen. Gelsenkirchen hat das Konzept der „Lernenden Stadt“ entwickelt, mit einer inklusiven, gerechten und nachhaltigen Bildung soll mit den Einwohnern gemeinsam das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung erreicht werden.

Fair Trade Towns gibt’s auch in meinem Wahlkreis

Bei der Kampagne Fair Trade Towns handelt es sich um eine Initiative des gemeinnützigen Vereins TransFair. Städte, die gezielt den fairen Handel auf kommunaler Ebene fördern werden mit dem Zertifikat „Fair Trade Town ausgezeichnet. Der Verein hat ein Netzwerk geschaffen, das die Aktivitäten bündelt und Akteure aus Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft vernetzt, um gemeinsam soziale Verantwortung zu übernehmen. Dies geschieht beispielsweise auf Konferenzen, in regionalen Netzwerken oder auf der Webseite. Dabei sind auch Partnerschaften mit dem globalen Süden entstanden. Um als Fair Trade Stadt ausgezeichnet zu werden, bedarf es unteranderem einem Ratsbeschluss, einer Steuerungsgruppe, die Aktivitäten koordiniert und Geschäften und Restaurants, die Produkte aus fairem Handel anbieten. Ich bin stolz, dass auch die Städte meines Wahlkreis Fair Trade Towns sind.

Rückschlage und Lichtblicke für Faire Beschaffung in NRW

Leider gibt es auch Rückschläge, wie bei der fairen und nachhaltigen Beschaffung. Das Tariftreue- und Vergabegesetz (TVgG), das wir als NRW SPD 2012 im Landtag durchsetzen konnten, sollte die faire und umweltfreundliche Beschaffung des Landes und der Kommunen festschreiben. Das Gesetz wurde allerdings von der schwarz-gelben Regierung ausgehöhlt und erfüllt nicht mehr seinen Zweck. Möchte eine Verwaltung heute beispielsweise Büromöbel beschaffen, wird ein Auftrag veröffentlicht, auf den sich verschiedene Unternehmen bewerben können. Die Angebote werden verglichen und das ökonomisch günstigste, das den qualitativen Ansprüchen entspricht, erhält den Zuschlag. Mit dem ursprünglichen TVgG hätten auch Kriterien, wie Nachhaltigkeit und die Einhaltung der Mindeststandards internationaler Menschenrechtsorganisationen bei der Entscheidung berücksichtigt werden müssen. Einzelne Kommunen und Städte, wie zum Beispiel die Stadt Dortmund, sind mittlerweile selbst tätig geworden und haben ein Gesetz – ihr eigenes „Mini-TVgG“ – verabschiedet.

Auch wenn dadurch Rechtssicherheit für nachhaltig beschaffende Kommunen gewährleistet ist, bedeutet die Abwesenheit einer landesweiten Regel viel Aufwand für alle, da es keine zentrale Stelle gibt, die beispielsweise die Dienstleister oder Produzenten überprüft. Dortmund hat vorgemacht, was eigentlich für ganz NRW gelten muss: Nachhaltige Beschaffung ist möglich. Nebenbei ist sie entgegen vieler Vorurteile nicht teurer, denn die Produkte halten oft länger und wiegen die höheren Kosten auf.

Es ist wichtig, dass wir gemeinsam mit Städten und Kommunen Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit finden. Dabei müssen Städte, Dörfer und das Land Hand in Hand arbeiten und von den Ländern und dem Bund unterstützt werden, um gemeinsam die global gesetzten Ziele zu erreichen.

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Warum ein Lieferkettengesetz für einen nachhaltigeren und sozialeren Welthandel nötig ist

Warum ein Lieferkettengesetz für einen nachhaltigeren und sozialeren Welthandel nötig ist 2560 2281 Rüdiger Weiß

Jeanshosen, Autos oder Handys – diese und viele weitere Produkte sind aus unserem Alltag nicht wegzudenken. Dass sie auf ihrem Weg in die Geschäfte meist Strecken von mehr als 50.000 Kilometern hinter sich legen, ist uns dabei nicht immer bewusst.

Oft finden die einzelnen Produktionsschritte in unterschiedlichen Ländern statt, wodurch lange Lieferketten entstehen. Bei einer Jeans bedeutet das beispielsweise: Baumwollanbau in Kasachstan, Spinnerei in der Türkei, Färberei in China, Weberei in Polen, Näherei in Bangladesch, Exporteur in Belgien und schließlich der Verkauf in Deutschland. Besonders problematisch sind dabei die von Land zu Land unterschiedlichen Standards und gesetzlichen Grundlagen für Arbeits- und Produktionsbedingungen.

Immer wieder ereignen sich Katastrophen, wie die Selbstmordreihe bei Foxconn (China, 2010), einem Zulieferer für Apple und Co., dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza (Bangladesch, 2013), bei dem mehr als tausend Menschen starben oder dem Dammbruch an einer Eisenerzmine (Brasilien, 2019), die für VW und BMW Stahl herstellt.

Welche internationalen Regeln gelten

Dabei gibt es eine Vielzahl internationaler Abkommen und Regeln, die solche Katastrophen verhindern sollen. Die Internationalen Arbeitsorganisation, engl. International Labour Organization (ILO), gibt Normen für die Wahrung von Sozialstandards vor. Einige dieser Normen bilden als so genannten „Kernarbeitsnormen“ die absoluten Mindeststandards für menschenwürdige Arbeitsbedingungen ab. Dazu zählen die Beseitigung von Zwangs- und Kinderarbeit, das Verbot der Diskriminierung und die Vereinigungsfreiheit. Doch selbst gegen diese ILO-Kernarbeitsnormen sind millionenfache Verstöße an der Tagesordnung, denn häufig kontrollieren Unternehmen nicht, ob ihre Zulieferer sich an die ILO-Kernarbeitsnormen halten.

Welche Handlungsschwerpunkte die ILO für ein besseres Zusammenspiel von Wachstum, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit fordmuliert hat, erfahren Sie hier.

Warum Freiwilligkeit allein nicht ausreicht

2016 verkündete die Bundesregierung den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP). Mit dem NAP möchte die Bundesregierung die Menschenrechtslage verbessern und die Globalisierung sozialer gestalten. Dafür müssen Unternehmen die vorgeschriebenen Sorgfaltspflichten einhalten. Dazu zählt neben der Überprüfung ihrer Lieferketten, also die Ermittlung von menschenrechtswidrigen Arbeitsbedingungen, auch das Ergreifen von Gegenmaßnahmen. Derzeit baut die Bundesregierung noch darauf, dass ein Großteil der Unternehmen sich freiwillig zu ihrer Sorgfaltspflicht bekennt und diese umsetzt.

Um zu überprüfen, ob deutsche Unternehmen freiwillig in transparentere Lieferketten investieren, hat die Bundesregierung von 2018 bis 2020 den Umsetzungsgrad des NAP in einem Monitoring überprüft. Zielvorgabe war, dass 2020 mindestens die Hälfte aller Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten die Elemente den NAP umgesetzt haben. Sollte das geschehen sein, würde man zunächst von strengeren gesetzlichen Regelungen absehen. Die erste Auswertung der Befragung von 2019 ergab jedoch, dass bislang nur knapp 20% der deutschen Unternehmen die Vorgaben aus dem NAP umsetzen. Es ist also offensichtlich, dass Freiwilligkeit allein kein geeignetes Instrument zur Erreichung eines nachhaltigeren und sozialeren Welthandels ist.

Wie ich mich für ein bundesweites Lieferkettengesetz einsetze

Damit möglichst schnell ein bundesweites Lieferkettengesetz verabschiedet wird, machte ich mich im Dezember 2019 gemeinsam mit der Fraktion für ein Lieferkettengesetz stark. Unter dem Titel: „NRWs Beitrag zu einem Lieferkettengesetz: Faire Produktionsbedingungen für die Vielen schaffen“ forderten wir die Landesregierung auf, eine Initiative im Bundesrat einzubringen und sich auch gegenüber der Bundesregierung und der EU für ein Lieferkettengesetz auszusprechen. (Hier finden Sie den entsprechenden Antrag der SPD-Fraktion)

Diese Länder gehen mit gutem Beispiel voran

Deutschland ist im europäischen Vergleich kein Vorreiter, was den Einsatz transparenter Lieferketten angeht, im Gegenteil: Andere europäische Länder sind bereits mit gutem Beispiel voran gegangen. Frankreich führte als erstes Land eine Sorgfaltspflicht ein, bei der Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen haftbar gemacht werden. Diese gilt auch für Tochtergesellschaften und Zulieferer der Unternehmen. In den Niederlanden wurde im Mai 2019 ein Gesetz gegen Kinderarbeit verabschiedet, das Beschwerdemöglichkeiten und Sanktionen beim Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht vorsieht. In Finnland, Dänemark und Österreich gibt es auf parlamentarischer Ebene Vorschläge zur Verankerung verbindlicher menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten.

Damit in Europa kein Regelungs-Flickenteppich zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht entsteht, muss die Bundesregierung die deutsche EU-Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 unbedingt nutzen, um ein einheitliches europäisches Vorgehen für transparente Lieferketten auf den Weg zu bringen.

Wie sich einige Unternehmen engagieren

In den letzten Jahren haben immer mehr Unternehmen selbst Verantwortung für ihre Wertschöpfungsketten übernommen. So haben sich beispielsweise Unternehmen im Textil-, Kakao- und Kohlesektor in freiwilligen Bündnissen zusammen getan, um ihre Lieferketten effektiv zurückverfolgen zu können.

Bereits im Jahr 2000 gründeten die Vereinten Nationen (UN) den Global Compact, einen freiwilligen Pakt mit Unternehmen und in enger Zusammenarbeit mit der Internationalen Handelskammer. Dieser bietet Unternehmen ein Netzwerk und zielt darauf ab, dass sie ihre Strategien im Einklang mit Menschenrechten, Arbeitsnormen, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung gestalten. Der Leitfaden des Business for Social Responsibility Netzwerks (BSR) soll Unternehmen dazu ermutigen, den Weg weiter in Richtung nachhaltiger Lieferketten einzuschlagen und erklärt Schritt für Schritt den Aufbau einer nachhaltigen Lieferkette. Auch die Bundesregierung stellt solche Praxisleitfäden zur Verfügung.

Inzwischen plädieren auch einige große Unternehmen für eine solche gesetzliche Regelung: Im Dezember 2019 veröffentlichten 42 Unternehmen – darunter auch Tchibo und Ritter – eine Stellungnahme, in der sie sich für ein Lieferkettengesetz aussprechen.

So engagiert sich die Zivilgesellschaft für ein Lieferkettengesetz

Auch die deutsche Zivilgesellschaft hat die Problematik längst erkannt und ist selbst aktiv geworden: Verschiedene Organisationen (Germanwatch, Misereor, Forum Fairer Handel) haben beispielsweise gemeinsam eine Initiative und Petition gestartet, die ein Liefergesetz durchsetzen soll. Wichtig ist hier: Ein solches Gesetz soll Unternehmen, die bereits verantwortungsvoll handeln, schützten. Denn in einer Wettbewerbssituation, in der nur einige Unternehmen die Mehrkosten für transparente Lieferketten zu tragen bereit sind, haben alle anderen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil. Ein Gesetz, das alle Wettbewerbsteilnehmer gleichermaßen verpflichtet, in transparente Lieferketten zu investieren, schafft ein sogenanntes „level playing field“, also gleiche Wettbewerbsvoraussetzungen für alle.

Aufgrund der aktuellen Corona-Krise verkündete Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, die Verschiebung des Lieferketten-Gesetzesvorhabens. Er hatte sich zuvor für die schnelle Umsetzung eingesetzt und wollte ursprünglich im März die Eckpunkte eines Lieferkettengesetzes vorstellen.